Im Sex seinen Mann stehen

Der große Unterschied zwischen Erektion und Potenz bzw. zwischen Erektionsstörungen und Potenzschwierigkeiten

Fachartikel von Robert Riedl

Die deutsche Redewendung "seinen Mann stehen" meint, dass jemand Erwartungen entspricht, die (speziell auch an einen Mann) gestellt werden. Prinzipiell sind Erwartungen keine schlechte Sache, da emotionale und kognitive Haltungen gegenüber anderen für unser Sozialleben wichtig sind. Erwartungshaltungen (auch in der Sexualität) werden von unseren Werten genährt: allem, was uns im Leben wichtig erscheint. Wem Ehrlichkeit und Fairness äußerst wichtig sind, wird ehrlich und faire Verhaltensweisen auch von anderen erwarten - zumindest von seinem Lebenspartner. Landläufig versteht man unter "seinen Mann stehen" sich bewähren, tapfer sein, tüchtig sein, Mut zeigen, seinen Platz behaupten oder es der Frau bzw. dem Liebespartner im Bett beweisen. Das Bild "seinen Mann stehen" spielt auch auf den erigierten Penis an, wobei Erektion zumeist mit Potenz und Männlichkeit gleichgesetzt wird. Das Schimpfwort "Schlappschwanz", das sehr abwertend einen sogenannten Schwächling bezeichnet, weist auf diese Gleichsetzung hin.

Psychotherapeuten versuchen möglichst hilfreiche Unterschiede im Erfassen von erlebten Problematiken zu machen, damit für Klienten bewusste Lösungsvarianten innerhalb der komplexen Dynamik zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Phänomenen wahrscheinlicher werden. Kommen Männer mit sogenannten Erektionsstörungen (erektile Dysfunktion) und/oder Potenzschwierigkeiten in eine psychotherapeutische Praxis, erleben sie zumeist die oben beschriebene Gleichsetzung, die oft Teil ihrer Problematik ist. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen Erektion und Potenz bzw. zwischen Erektionsstörungen und Potenzschwierigkeiten therapeutisch umso bedeutsamer. Unter einer Erektion lässt sich die körperliche Fähigkeit des Penis verstehen, steif zu werden. Im Gegensatz dazu ist Potenz eine psychische Fähigkeit des Mannes, eine befriedigende Sexualität oder sexuelle Lust (Libido) zu erleben. Beides wird auch von unwillkürlichen Prozessen in uns beeinflusst, aber Erektionsstörungen müssen nicht unbedingt Potenzschwierigkeiten bedeuten. Männer können nämlich auch mit erigiertem Penis keinen befriedigenden Sex erleben. Dennoch könnte ein Mann auch ohne erigiertem Glied für sich befriedigenden Sex erleben, sobald er darin einen Lustgewinn erlebt. Schließlich kann befriedigender Sex für einen Mann nicht automatisch einen Orgasmus bedeuten! Je mehr man sich als Mann in der eigenen Sexualität mit der Erektion identifiziert, desto mehr macht man sich auch von der Steifheit des Penis abhängig − und umgekehrt: je mehr man als Mann auch ohne steifen Penis eine befriedigende Sexualität entdecken kann, desto weniger Druck, Peinlichkeiten und Leiden erlebt man.

Erektionsfördernde Medikamente bzw. sogenannte PDE-5-Hemmer wie Viagra, Levitra oder Cialis verschaffen hier eine gewisse Unabhängigkeit, die einige Männer mit Erektionsstörungen oder Lustschwierigkeiten bereits als Lösung für eine befriedigendere Sexualität erleben können, da sie kaum Nebenwirkungen besitzen.

Dass sich Erektionsstörungen sehr auf das Erleben einer befriedigender Sexualität eines Paares auswirkt, liegt an der zusammenhängenden Dynamik von körperlichen, psychischen und sozialen Phänomenologie des Sexuallebens. Sexualität bzw. körperliche Nähe ist eine Erlebensebene in unserem Grundbedürfnis nach Verbundenheit und Zusammengehörigkeit. Auch in der Kommunikation lässt sich Verbundenheit und Zusammengehörigkeit erleben, und so kann im "wir müssen reden" eine Chance und Möglichkeit bestehen, körperliche oder psychische Hindernisse am Weg einer gemeinsam erlebten befriedigenden Sexualität gemeinsam aus dem Weg zu räumen. Es kommt immer darauf an, was und wie miteinander geredet wird, um im Erleben von kommunikativer Verbundenheit die Dynamik zwischen körperlichen, psychischen und sozialen Phänomenen für das gemeinsame Sexuallebens in Richtung gemeinsamer sowie individueller Lustbefriedigung − mit oder ohne Orgasmus − zu lösen oder damit bestmöglich umzugehen. Vor allem geben Paare mittels Sprache der erlebten Realität subjektive und intersubjektive Bedeutungen, die bewusst aber auch unbewusst durch Gesten, Gedanken, Vorstellungen, Erwartungen oder Emotionen zum Ausdruck kommen. Ein Mann, bei dem sich die Erektion nur müde einstellt, kann zur Partnerin selbstbewusst sagen: "Nun ja, sowas kommt vor, magst du sexuell was anderes machen?" und alles ist okay. Oder sie sagt wütend und wenig hilfreich zu ihm: "Das ist der Beweis, dass du mich nicht mehr begehrst!" und alles wird schlimmer.

Erektionsstörungen oder Potenz- und Lustschwierigkeiten können ganz unterschiedliche Ursachen haben: Krankheiten wie Diabetes, Arbeitslosigkeit, Angst oder Überforderung am Arbeitsplatz, Mobbing, Mehrfachbelastungen, zu enge Wohnverhältnisse, Geldnot bis zu Nebenwirkungen eines Medikamentes. − Welche Bedeutungen ein Paar dem gemeinsam Erlebten eines sexuellen Hindernisses zum Orgasmus beimisst, ob man es also als Normalität, als Problematik oder als Katastrophe erlebt und etwa als Symptom von beruflicher Überforderung oder einer Beziehungsstörung sieht, hängt von bewussten sowie unbewussten Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Zuschreibungsprozessen in uns ab. Es sind persönliche und gesellschaftliche Bedeutungen, die man als Mann oder Frau einer Erektionsstörung geben kann. Auch in und mit ihnen suchen wir nach möglichen Ursachen, Zusammenhängen und einem Wozu?

In der Psychotherapie ist es wichtig darauf zu achten, welche Art von sexueller Störung vorliegt und wie diese mit bewussten und unbewussten Phänomenen zusammenhängen mag. Hilfreich ist dabei genau hinzuschauen, wer im Paar den größeren Leidensdruck hat. Dabei geht es auch um sexuelle Vorlieben, d. h. welchen "sexuellen Stil" der jeweilige (nicht) annehmen kann oder mag. Eine wichtige Frage ist: Welche Konflikte werden durch die Störung ausgelöst und welche vermieden? Und: Wo und wie wird zwischen sexuellem Nicht-Können und sexuellem Nicht-Wollen unterschieden?

In der Therapie ist es immer hilfreich, das Paar bzw. den Mann oder Frau wieder zum bewussten Gestalter der eigenen Sexualität zu machen und der Resignation gegenüber Erektionsstörungen oder Potenz- und Lustschwierigkeiten bewusst begegnen zu können. Es kann sogar eine größere Befriedigung darstellen, die Partnerin zu befriedigen. Hilfreich ist zu fragen: Was will und kann der Mann aber auch die Frau als Liebhaber/in sich selber und dem/der Partner/in (abhängig aber auch unabhängig von einer Erektion) anbieten? Wie können der Mann und die Frau ihr Sexualleben so (bzw. neu) gestalten, um eine möglichst befriedigende Sexualität (auch ohne oder mit halbmüder Erektion) zu (er)leben? Beispielsweise könnte das schlaffe Glied eingeführt werden, damit es in der Vagina steif(er) wird. Dazu mag es günstigere und ungünstigere Stellungen geben, die es jedenfalls auszuprobieren gilt − auch solche, die mit den Jahren eingespielte Routinen hinter sich lassen. Schlussendlich lässt sich dies jedoch bloß paarweise beantworten.

Es gibt viele Paare, die auch mit einer sexuellen Einschränkung gut leben können, weil sie auf der körperlichen oder anderen Ebenen genug Verbundenheit miteinander erleben oder ihre Bedürfnisse autonom ausleben. Andere Paare entschließen sich die Beziehung zu beenden, sobald sexuell (zu große) Hindernisse auftauchen. Aber auch hier könnte eine Psychotherapie mehr Klarheit bringen.



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